Kerzen der Hoffnung

Schleswig Holstein spielt „Na Gott sei Dank“ in der Kieler Oper

Viele verschiedene Gesichter, ganz unterschiedliche Nationalität, schwarze Kleidung, blaues Licht, ein Standbild. Wir betreten den Raum, ich – natürlich – finde meinen Platz erstmal nicht. Eine halbe Reihe muss aufstehen. Na toll. Das Licht wird dunkler, die SpielerInnen rennen durcheinander, ein kleiner Monolog. Wieder ein Standbild, diesmal ein bewegtes, fünf Gruppen in verschiedenen Ebenen, alle in verschiedene Richtungen gedreht und doch beten sie alle – beten sie? Es sieht so aus – nach oben, gen Himmel.
Na Gott sei Dank – Was bedeutet Glaube und was bringt er für Freuden aber auch Probleme mit sich? Es gibt so viele Unterschiede, der eine feiert Weihnachten, für den anderen ist das Zuckerfest nach dem Fasten von Bedeutung. Beten für die Familie, für Frieden im eigenen Land, beten, dann, wenn man glücklich ist oder Angst hat. Fünfmal am Tag? Wenn man es gerade selbst braucht, oder… auch gar nicht. Die Gruppe aus Schleswig-Holstein zeigt, wie verschiedene Glaubensrichtungen, trotz Konfliktpotenzial zusammen existieren können, manchmal nebeneinander, aber doch als friedliche Gemeinschaft.

„Ich glaube an Allah.“
„Ich glaube an mich selbst.“
„Ich glaube an Gott.“
„Ich glaube an meine Familie.“

Der Saal ist dunkel. Eine Kerze nach der anderen erleuchtet, das schummrige Licht erhellt die Gesichter der Spieler. Ein schönes Bild, voller Hoffnung und Verletzlichkeit. Sie offenbaren ihre Wünsche, Ängste und ihre Religion in dem was sie glauben. Die Kerzen als einzige Requisiten – ein Symbol Gottes oder eben nicht, in jedem Fall ein Symbol der Hoffnung.
Aber auch die Grausamkeit einiger Religionen wird gezeigt, indem mit den Kerzen als Mordinstrument einige Spielerinnen geköpft werden. Nachdem die Mörder aus den toten Körpern ein Kreuz gelegt haben, sagen sie: „Im Namen Gottes“. Die Charaktere betonen aber auch, dass sie gerne einiges an ihren Religionen verändern würden, wenn sie könnten. So zum Beispiel die Zwangsheirat und die Verpflichtung zum Tragen einer Kopfdeckung. Später wird die Stimmung versöhnlicher:  Eine weihnachtliche Szene – die Gruppe stellt sich auf und alle – ob sie nun Weihnachten feiern oder nicht – singen eines der traditionell beliebtesten deutschen Weihnachtslieder: Stille Nacht. Ein starker Moment. Alle gemeinsam stehen sie auf der Bühne, die magische, weihnachtliche Atmosphäre füllt den gesamten Saal aus und das, obwohl viele einen anderen Glauben als das Christentum haben und aus fernen Ländern kommen.

Man merkt, dass dieses Stück von den Schülern selbst kommt. Es ist ehrlich, mutig und mit viel Herz gespielt. Verschiedene Schüler erzählen ganz persönlich, wie sie es sicher auch uns erzählen würden, die Regeln ihres Glaubens oder spielen festliche Szenen aus den eigenen Familien nach. Obwohl „Na Gott sei Dank“ keinen großen Wert auf einen zusammenhängenden Spannungsbogen legt, berührt es mit seinen ehrlichen, persönlichen Aussagen die Zuschauer. Es begeistert nicht nur mit vielen Gesangseinlagen, sondern kann auch einen neuen Blickwinkel auf zunächst ferne Religionen eröffnen, indem nähergebracht wird, wer und was dahintersteht. Am Ende ist der Applaus gewaltig, es wird geklatscht und gepfiffen, viele Leute stehen sogar auf. Vielleicht hat denjenigen, die sitzengeblieben sind, erzählerischer Zusammenhang gefehlt, inhaltlich und spielerisch ist der Beifall aber voll und ganz gerechtfertigt. Die Botschaft des Stücks ist hoffnungsvoll. Deshalb verlasse ich den Saal etwas nachdenklich, aber mit einem Lächeln. Wie der gesamte Eröffnungsabend macht das Stück Lust auf mehr.

Vorab-Interview Yekta, Schleswig-Holstein (PDF-Version)

Vorab-Interview Niklas, Schleswig-Holstein (PDF-Version)

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