Wir sagen danke!
Der Politzirkus ist wieder eine Sporthalle, die Blogredaktion wieder ein Klassenzimmer und fancy Chillout-Lounge wieder ein Schulhof. Bevor ihr jetzt aber Trauer schiebt, weil der Alltag wieder anklopft, tauchen wir noch einmal ein in die Eindrücke der letzten Woche und vertreiben damit die Sonntag-Abend-Depression.
Also das fing ja alles schon so Bombe an. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wir werden uns noch lange an die komplett abgefuckten Momente beim theatralen Auftakt erinnern. Wann hat man denn bitte das letzte Mal so viele Leute auf einmal umarmt? Den Fachtagungsteilnehmern am Rande des Platzes hat man so was von angesehen, wie gerne sie mitgemacht hätten – wäre da bloß nicht die verdammte Bandscheibe. „Erfrischend, diese jungen Leute. Voller Energie.“ So oder so ähnlich. Dann in einer Oper aufgenommen zu werden – ein Ritterschlag fürs Schultheater. Atmosphärisch gab es da für die nächsten Tage eine gewisse Fallhöhe und wir waren selbst ganz überrascht, wie angenehm es im Politzirkus letztendlich geworden ist. Als Innenarchitekt Andi uns nämlich vorletzte Woche die schrille Ansammlung von Kuriositäten, mit denen er ein gemütliches Festivalzentrum einrichten wollte, vor eine leere Sporthalle gekippt hatte, konnte die Tine Wittler in uns nicht anders, als sich auf den Boden zu werfen und hysterisch mit den Beinen zu strampeln. Ohne Witz. Da haben nur die Winkekatzen gefehlt. War dann ja am Ende aber gar nicht sooo kitschig und gerade, als es dunkel wurde und das Licht zur Geltung kam ein echter Place to be!
Bis zu den Workshops, die direkt am zweiten Tag stattgefunden haben, war zum Akklimatisieren eigentlich noch gar keine Zeit. Trotzdem wart ihr sehr offen für die Einflüsse aus den Kursen, selbst wenn skurrile Erfahrungen dabei gewesen sein sollen. Der ein oder andere Workshopleiter ist sicher übers Ziel hinausgeschossen, umso wichtiger, dass ihr auch mal „Nein“ gesagt habt – selbst auf Theaterfestivals hat der gute Geschmack Grenzen. Es geht hierbei aber um Einzelfälle, die meisten Workshops scheinen sehr wertvolle Erfahrungen gewesen zu sein und die Entscheidung zwischen den verschiedenen Angeboten fiel oft schwer – genauso bei den Stücken. Wie oft musste man sich zwischen Brandenburg oder Bremen, dem Saarland oder Rheinland-Pfalz entscheiden! Schade, dass es nicht ohne Parallelvorstellungen ging und dass man bei den Abendvorstellungen nicht immer reingekommen ist. Was will man aber machen? Anbauen? Geht auch nicht.
Ursprünglich stand noch offen, ob eine Fahrt nach Laboe oder doch lieber eine Stadtrundfahrt unternommen werden soll. Jetzt können wir euch ja nichts mehr vormachen: Wer glaubt, auf den Straßen unserer Landeshauptstadt einen schönen Tag im Doppeldecker-Bus verbringen zu können, überschätzt Kiels Größe und unterschätzt den Einfluss der 60er-Jahre-Architekten. Laboe hingegen ist eine Perle am Meer. Auf dem rappelvollen Boot hat man sich wie auf einer Abifahrt in Rimini gefühlt! Naja fast. Ist aber ja auch ekelig warm in Italien, dann lieber mit leichter Brise über die Förde juckeln und mit Horst und Gisela Eis essen. Rentnerparadiese sind ja deswegen Rentnerparadiese, weil Rentner bis zur Rente Zeit hatten, sie sich auszusuchen. Es gibt schlechtere Ratgeber als Lebenserfahrung! Der symbolträchtigste Moment dieses Nachmittags: Das Jugendschiff überholt ganz langsam das Erwachsenenschiff – The Times They Are A-Changin‘.
Wenn wir schon über Kiels Plattenbauten herziehen, können wir wenigstens das RBZ in den Himmel loben. So kann es doch funktionieren mit einem Schulgebäude! Stilvoll sanierter Altbau mit durchgeplantem Innenhof und einer Mensa, die an manchen Tagen fast Restaurantqualität hatte. Im Schauspielhaus genau das gleiche: Ultramoderne Ausstattung, gemütliche Sitze und ästhetische Wandverkleidung. Auch die Oper ist vielleicht nicht so groß wie die Berliner Staatsoper Unter den Linden, aber mein Gott, der Vorplatz sieht aus wie der Markusplatz in Venedig!
Viel wichtiger als die Orte und Rahmenbedingungen wart aber ihr! Irgendwas muss mit Menschen beim Theaterspielen passieren, das wegführt von blinder Rivalität und übermäßigem Erfolgsdrang. Uns ist das vor allem beim Open-Stage-Abend klargeworden. Einen Wettbewerb in einer so herzlichen Atmosphäre zu feiern und dabei jeden Teilnehmer zu respektieren, ob er jetzt eine perfekte Performance hinlegt oder nicht, ist etwas Besonderes. So konnten nicht nur die Musiker befreit spielen und singen, sondern auch die Poetry-Slammer persönliche Zeilen vortragen, ohne Spott erwarten zu müssen. Einmalig, welche Talente dadurch zum Vorschein kamen.
Auch das Filmteam bedankt sich für euren maßvollen Exhibitionismus. Ganz selten habt ihr zum Vollsprint angesetzt, wenn die Kamera um die Ecke kam. Der Festivalfilm ist also nicht zuletzt euer Verdienst. Ob und wie er veröffentlicht wird, teilen wir euch in den nächsten Tagen mit. Wir haben halt ein bisschen Angst, dass wir die Aufrufzahlen der Tomorrowland-Aftermovies übertreffen – nachher sind die Karten fürs nächste SDL nach zehn Sekunden weg. Auf der anderen Seite könnten wir dann alle unsere Merchandise-Artikel für teures Geld verscherbeln. „Der Beutel hier ist vom SDL 2018! Damit hat alles angefangen!“ Seid also nicht zu hart zu dem Zeug. Wenn die ersten Bänder am Jutebeutel reißen, dann seht es als Chance an, sie nach eurem ganz individuellen Geschmack wieder zusammenknoten zu können. Auf Wunsch macht die Social-Media-Reaktion Tutorials mit modischen Ideen – zum Beispiel rote Kordeln! Heiß.
Den SDL-Oscar für die beste Selbstdarstellung bekommt laut einstimmigem Juryurteil Cristiano Ronaldo. Siiii! Wir haben gehört, dass sich das Burgtheater Wien und die Volksbühne Berlin dringendes Interesse bekundet haben, nachdem Neymar Jr. vom Pariser Theater einfach nicht wegzubekommen ist. Gut, dass die Hessen auch noch ein Wort mitzureden haben.
Zum Schluss noch eine Ankündigung: Die Saarlandlobby soll als künftigen Festivalleiter Leo Lutz ins Spiel gebracht haben. Ganz selbstverständlich müsste damit eine Namensänderung einhergehen. Wir plädieren für „Lutzdock“ und hoffen, dass er das nächste Orga-Team nicht genauso hart anpackt wie seine Bühnenkollegen. Viel Glück – Tillmann hinterlässt Yeti-Stapfen.
Wir danken euch für euer Feedback, das wir uns immer zu Herzen genommen haben. Fast bei jeder Abendrunde wurde von Rückmeldungen berichtet, die uns dazu verleitet haben, an bestimmten Stellen noch etwas zu verändern. Nachdem sich unser Team gedacht hat, dass es einfach mal aus einer Festivalwoche zwei macht, indem es das Schlafen weglässt, waren die Rückmeldungen Balsam für die Seele. Mindestens das. Eine Woche voller intensiver Erlebnisse geht zu Ende. Es ist gar nicht so leicht, wenn die Theaterblase wieder platzt. Eine ganze Weile war man umgeben von Menschen, die für jeden Scheiß zu haben waren und in jedem Moment eine potentielle Performance entdecken konnten. Behaltet Kiel und den Politzirkus in guter Erinnerung, wir haben uns gefreut, euch begrüßen zu dürfen. Holt die Flagge erst mal wieder ein, aber bewahrt sie griffbereit auf – wir müssen auf unser Land aufpassen.
Tschüss! Und bis bald an der Waterkant!
Euer SDL-Politzirkus-Team
PS: Zum Schunkeln und Träumen: www.youtube.com/watch?v=DT86KDYyzu0