Baden-Württemberg spielt „Digital.Zeit, Alter!“ im Schauspielhaus
„Was ist eine Filterblase? Was ist ein Algorithmus? Ist Ihnen Ihre Privatsphäre im Internet wichtig?“ Mit diesen einleitenden Fragen, welche die Produzenten des Stückes von Baden-Württemberg Passanten auf der Straße gestellt haben, taucht das Publikum für eine Stunde ein in die aufregende Welt des Internets. Man wird mit Dingen konfrontiert, die beim Surfen auf den ersten Blick unsichtbar sind. Willkommen im Cyberspace!
Den Zuschauern werden anhand von Zahlen die riesigen Dimension des Internets und somit der Einfluss auf unser Leben verdeutlicht. 3,3 Milliarden Nutzer, 35 Millionen Suchanfragen, 4200 Terrabyte Wachstum und 2,5 Millionen E-Mails pro Sekunde. Während des Stückes werden immer wieder Fragen an „Search“ gestellt. „Search“ soll eine Suchmaschine darstellen, die auf jede Frage eine Antwort parat hat. Mehrere Regale sollen die Register des Internets darstellen und werden nahezu durchgehend von Bots, Algorithmen, oder Cookies (in Form von Menschen in Ganzkörperanzügen) beobachtet und verwaltet. Sie stellen also das dar, was sich irgendwo hinter dem Bildschirm auf einem Server abspielt und bilden gemeinsam die Filterblase, welche die Interessen jedes einzelnen Menschen auswertet und sich entsprechend anpasst. Dies fällt drei Freunden auf, als sie in einem durch einen Stuhlkreis dargestellten Chatroom Zeit verbringen und zufällig das Gleiche im Internet suchen wollen. Sie erhalten alle Ergebnisse, die zwar jeweils zur Suchanfrage passen, aber unterschiedliche Seiten als ersten Link im Verlauf anzeigen – ein Ergebnis ihrer Filterblase. Sie machen sich im Internet schlau und kommen zu dem Entschluss, dass „Ansichten verbogen werden“. Dazu gewinnen sie die Erkenntnis, dass Daten nicht so leicht bzw. gar nicht aus dem WWW zu löschen sind. Am Beispiel eines kursierenden Nacktfotos wird dies verdeutlicht.
Die Situationen, die im Laufe des Stückes behandelt werden, könnten sich alle im wirklichen Leben abspielen. So stellen die Akteure zum Beispiel ein You-Tube-Video samt Kommentaren von anderen Nutzern und Werbung von Bots dar. Es wird dabei gezeigt, wie sehr die in sozialen Medien aufgeführten Ergebnisse auf die benutzerdefinierten Interessen abgestimmt sind. Eine Person, die Zeit mit Sozialen Medien verbringt, erlange demnach eher Bestätigung als Ablehnung der eigenen Meinung. Es soll dem Nutzer möglichst einfach und bequem gemacht werden, um ihn über längere Zeit in den Online-Foren und Chat-Portalen zu halten. Als weiteren Kritikpunkt für das Internet, wie wir es kennen, führt das Stück die permanente Überwachung auf. So reiche schlimmstenfalls ein bestimmtes Stichwort wie „Cannabis“ aus, um direkt einen Algorithmus auf die geführte Konversation aufmerksam zu machen. Dies wurde in folgender Szene besonders verdeutlicht: Als in einem Gespräch nach dem Nacktbild-Drama das entsprechende Wort erwähnt wird, bewegen sich direkt ein paar der Darsteller in Ganzkörperanzügen aufmerksam in die Richtung des Chats und machen durch bestimmte Gestik deutlich, dass ein Schlagwort erwähnt wurde.
Alles in allem beinhaltet das Stück viele beeindruckende Szenen – zum Beispiel das Arbeiten der Algorithmen. Schade ist nur, dass in Bezug auf die Handlung vielleicht etwas zu viel Interpretationsspielraum eingeräumt wird, was aber auch an der gekürzten Fassung liegen kann. Man wurde trotzdem zum Nachdenken angeregt, da das Internet doch mehr gefahren und Probleme aufzuweisen scheint, als die meisten Menschen vermuten. Mit diesem Stück wurden mehrere Hundert Menschen dazu angeregt das Fotografieren und Verbreiten von ihrem nackten Körper zu unterlassen – vielleicht ja zu Gunsten von mehr Intimität im „Real Life“. Bildungsauftrag erfüllt.
Interview-Whatsappgruppe, Baden-Württemberg (PDF-Version)