Mecklenburg-Vorpommern spielt „Die Abgehängten“ im RBZ
„Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen.“ So steht es im Paragraf 28 der allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern. Dieses neue Gesetz wurde im Mai 2018 erlassen. Immer wieder wird im Bundestag über ein Burkaverbot diskutiert. Das Parlament befasst sich mit Fragen wie: Sollte man den Herstellern von Milch-Ersatzprodukten verbieten, im Produktnamen das Wort „Milch“ zu verwenden? Immer wieder taucht die Frage auf, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht. Mit solchem Nonsens beschäftigen sich die deutschen Politiker. In der heutigen Zeit, in der wir einen gewaltigen Pflege- und medizinischen Fachkräftemangel haben, Rentenarmut und Mietpreise, die sich kein normaler Mensch richtig leisten kann, hat ein Land wie Deutschland eigentlich ganz andere Probleme.
Die Theatergruppe vom Ecolea-Gymnasium Rostock-Warnemünde stellt in ihrem Stück „Die Abgehängten“ das Schicksal dreier Leute vor, die man als Opfer dieser Politik begreifen kann. Im hinteren Teil der Bühne, hinter einer Operafolie, findet die Rahmenhandlung statt. Zwei alte Freunde, Schuld und Cent, treffen sich wie jeden Abend in der Stammkneipe „Zum dicken Stamm“, doch an diesem Tag wird ihre vertraute Atmosphäre von Ion gestört. Man sieht nur die Schattenbilder, die an einem Tisch sitzen, trinken und von ihrem Leben erzählen. Im vorderen Teil der Bühne wird die erzählte Lebensgeschichte gezeigt.
Schuld war eine angesehene und berühmte Rechtsanwältin. In ihren jungen Jahren hat sie bereits alles erreicht, wovon man träumt. Sie hat ein Mann, Kinder, ein Haus und eine gefeierte Karriere. Innerhalb von nur einem Abend verfällt sie dem Glücksspiel und dem Alkohol. Sie steigert sich immer weiter hinein und treibt dem Abgrund entgegen. Auch Cent hatte alles, was er wollte. Er war Filialleiter von Schlecker. Verdiente gutes Geld und war für seine nicht unbedingt anständigen Verkaufsideen gefeiert worden. Doch mit der Insolvenz des Unternehmens verlor er seinen Job und damit alles, was er hatte. Frust und Selbstmitleid trieben ihn zum Alkohol. Der härteste Schlag trifft die beiden mitten im Stück, als der Kneipenwirt gesteht, dass auch er Existenzprobleme hat und auf Grund dieser die Kneipe schließen muss. An allen Problemen sei die Gesellschaft und die Politik schuld, man selbst kann nichts dafür. Schuldeingeständnis? Fehlanzeige. Ion versucht, Lösungen für die Probleme zu finden. Versucht den richtigen Weg zu weisen, doch er wird überhört. Seine Worte prallen an einer Wand ab. Die Politiker verschwendeten Zeit und Geld bzw. überlegten sich nur, wie sie sich am besten in die eigenen Taschen spielen könnten, so die Meinung der anderen Figuren. Bei den tagesaktuellen Diskussionen und Anträgen im Bundestag ist der Gedanke, dass die Politiker lediglich an sich denken gar nicht so abwegig und Mecklenburg-Vorpommern stellt gelungen dar, wie schnell „die Abgehängten“ heute in der Politik Sündenböcke finden. Dann ist da noch diese „Alternative“. Die Alternative für Deutschland spricht die Probleme an, verspricht diese anzugehen. Ist es dann nicht nur zu verständlich, wenn viele Bürgen diese Partei wählen?
In einem unterhaltsamen und witzigen Klima spricht die Gruppe aus Mecklenburg-Vorpommern bestimmt so einigen Menschen aus der Seele. Es gibt keine Szenen mit herzzerreißenden Emotionen, vielleicht muss das Stück sich deshalb wie einige andere Stücke beim SDL den Vorwurf gefallen lassen, dass die Ernsthaftigkeit zu kurz kam – gerade bei der Thematik „Rechtsruck“. Dafür kann man den Mecklenburgern zu gute halten, dass sie kein riesiges Fass aufmachen, sondern anhand einer greifbaren Handlung auf ein konkretes Thema ausführlicher eingehen. Auch das einfache, aber ästhetisch ansprechende Bühnenbild passt zu dieser Vorstellung. Vielleicht nächstes Mal einfach noch mehr Mut zum Drama!